3. Kapitel: Das Karma
Wohl jeder von uns wurde mindestens einmal im Leben von einem Schicksalsschlag getroffen. Er kam unerwartet und war hart. Wir hatten das Gefühl, er war ungerecht und unverdient und wir fanden uns nur schwer damit ab. Das einzig heilende Pflaster auf unsere Wunde war der Trost, dass man nichts dagegen machen kann. Es war eben Schicksal. Wir dachten, es kann keiner etwas dafür, denn so war es von oben, von höherer Gewalt gewollt.
Ähnlich, nur mit einem kleinen Unterschied, wird der heute bereits allgemein bekannte Begriff „Karma“ gedeutet. Dabei ist der Urheber des Schicksals nicht die höhere Gewalt oder Gott, sondern der Mensch selbst. Der Betroffene verursachte in einem seiner früheren Leben etwas, dessen Folgen er später tragen muss, auch wenn er die Ursache mittlerweile vergessen hat. Das Karma hängt also mit der Reinkarnation zusammen.
Aus der Erklärung des Begriffes „Karma“ wird ersichtlich, dass den Indern, von denen wir dieses Wort übernommen haben, das Gesetz der Wechselwirkung wohlbekannt war. Für sie ist ein Schicksalsschlag kein Grund zur Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit wie in unserer christlichen Gesellschaft. Glaubt der Mensch nur an das Schicksal, dann hat er das Gefühl, dass ihn dieser Schlag zu Unrecht traf. Er versteht nicht den Grund des Schlages und fühlt sich benachteiligt. Nach den Erklärungen des Karmas ist die Ablösung einer Schuld in demselben Leben, in dem man die Ursache dazu gab, leichter, weil der Mensch weiß, wofür er büßt. Das Verzögern der Rückwirkung und das Vermeiden ihrer Wiedergutmachung bringen im nächsten Leben nicht verstandene und damit als „ungerecht und unerwartet“ bezeichnete „Schläge“.
Nicht jede Schuld ist die Folge von Handlungen mit übler Absicht. Der Mensch muss auch Handlungen ablösen, die er aus Unkenntnis oder Nachlässigkeit beging oder ganz unterließ. Wenn zum Beispiel eine Frau die Grundsätze gesunder Ernährung fahrlässig missachtet, dann kann sie selbst, wie auch ihre ganze Familie deswegen erkranken. Die Folgen muss sie unter Umständen über mehrere Erdenleben hinweg in Form von eigenen Gesundheitsbeschwerden oder sogar durch eine tödliche Erkrankung erleben. Es ist ihre Aufgabe, die Ursachen dieser Beschwerden oder Krankheiten zu erkennen, um diese Fehler nicht zu wiederholen.
Manchmal belastet sich der Mensch auch mit Schuld, indem er jemanden für eine Handlung verurteilt, ohne dessen Beweggründe dafür zu kennen. Dies wird gewöhnlich in der Politik und bei einflussreichen Persönlichkeiten öffentlich praktiziert, indem sie nur fremde Meinungen übernehmen, die wirklichen Umstände aber nicht kennen. Durch diese Verurteilung untergraben sie zum Beispiel den Ruf einer bestimmten Person und laden damit eine Schuld auf sich, denn sie ertöteten in den Nebenmenschen auf unredliche Weise das Vertrauen, das sie ihm bisher schenkten. Diese Handlung müssen wir zum Beispiel abbüßen, indem wir eine ähnliche Situation wie sie erleben, oder ebenso, scheinbar ungerecht, verleumdet werden. Es ist sehr schwer alle Ursachen des Karmas zu erkennen, weil sie vielfältig sind.
Die Ablösung des Karmas kann auf verschiedenerlei Arten erfolgen:
1. Der bekannte Ausspruch aus dem Alten Testament „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ deutet an, dass der Mensch die gleichen Auswirkungen seiner früheren Fehler am eigenen Leibe spüren wird. Ein Mörder wird im nächsten Leben von Mörderhand sterben, ein Dieb wird bestohlen, ein lasterhafter Mensch wird erkranken u.Ä.
Die Hinterbliebenen eines Opfers der Gewalt oder eines Unrechts sollten sich nicht um eine Vergeltung bemühen, sonst belasten sie sich mit einem ähnlichen Karma. Die Gesetze werden zur rechten Zeit und auf die richtige Art und Weise für Gerechtigkeit sorgen. Nichts bleibt davor verborgen und unbestraft. Je später die Rückwirkung erfolgt, desto stärker ist sie. Manchmal wird sie gerade deshalb zeitlich verschoben.
2. Symbolische Ablösung. Sollte sich der Mensch gebessert oder vielleicht ganz zum Positiven verändert haben, bevor die Rückwirkungen früherer Verfehlungen erfolgten, so können die Ablösungen auch symbolisch erfolgen.
Ein Mann überaß und betrank sich, rauchte dazu noch viel in seinem früheren Erdenleben. Es mag vielleicht übertrieben klingen, aber nehmen wir es nur als Beispiel. Durch seine falsche Lebensweise und negativen Neigungen ruinierte er bewusst seine körperliche Gesundheit. Als Folge dieses Fehlverhaltens sollte er in seinem nächsten Erdenleben tödlich erkranken. Wenn er sich während der Krankheit seiner schlechten Angewohnheiten bewusst wird und beginnt, ernsthaft den Weg der Gesundung zu suchen, dann kann er von seiner tödlichen Krankheit dank dieser Anstrengung und Entsagung genesen.
3. Reine und tief empfundene Liebe zu einer anderen Person, sei sie auch unerwidert, die den Menschen erhebt und vervollkommnet, indem er sein eigenes Ich vergisst und selbstlos gebend und gut wird, befreit ihn von mancher Schuld, die er in der Vergangenheit durch Eigensucht und Gleichgültigkeit verursacht hat. Wenn aber jemand nur seine Liebe im Auge hat und ihm die anderen in ihrem Schmerz und ihren Sorgen gleichgültig sind, dann erlebt er keine wahre Liebe, sondern nur vervielfachten Egoismus.
4. In sich festes Wollen zu dem Guten. Ändert sich der Mensch innerlich so sehr, dass er alle seine Handlungen mit reinen Absichten ausübt, so werden die Fäden des noch laufenden, negativen Karmas immer mehr abgeschwächt und es beginnt sich ein neues und reines Karma zu bilden.
Kommt es für den Menschen zu ungünstigen Rückwirkungen, und er sieht darin nicht die Gerechtigkeit, geschweige denn die Möglichkeit des Reifens, so wird sein Widerstand und Unverständnis keine Ablösung seiner bisherigen Schuld bewirken. Weitere Rückwirkungen muss er dann „erleiden“, bis er sich ändert. In der Rückwirkung liegt nicht immer auch die Ablösung einer Schuld.
Die Menschen ziehen gerne allgemeine Schlüsse und werfen oberflächlich alle negativen Erscheinungen und Ereignisse bedenkenlos in einen Topf. Alles ist für sie nur Rückwirkung bisheriger Verfehlungen, als gäbe es keinen freien Willen, der im Gesetz der Wechselwirkung permanent ein neues Karma bewirkt. Wäre alles so unabänderlich wie sie es sich als Ausrede einreden, so bliebe doch die Frage unbeantwortet, wie es sich mit dem freien Willen zum Entschluss verhält, der die Entwicklung des einzelnen ermöglicht. Oft wurde dieser freie Wille zum Entschluss von Menschen so ausgeübt, dass sie ihren oft unschuldigen und innerlich reineren Nebenmenschen schwer schadeten. Man muss nur einen Blick in die Geschichtsbücher werfen, und man erhält viele Schilderungen von Folterungen, Verbrennungen, Einzel- und Massenmorden. Der freie Wille zum Entschluss gibt dem Menschen immer zwei Möglichkeiten. Entweder entschließt er sich zum Guten und bewirkt damit eine Erleichterung bisheriger Verfehlungen oder er entschließt sich zu üblen Handlungen und muss dann mit der verstärkten negativen Rückwirkung rechnen, die vielleicht sogar noch die Rückwirkungen weiter verstärkt, die noch nicht abgelöst wurden.
Wäre der Mensch so teilnahmslos, dass er das üble Wirken seiner Nebenmenschen auf ihn als „sein Karma“ ansieht, an dem er nichts ändern kann, so würde er das Übel geradezu züchten, denn die Urheber des Übels müssten weder seinen Widerstand, noch eine Bestrafung, befürchten.
Wie erkennen wir, was eine Rückwirkung im Gesetz der Wechselwirkung ist und was nicht? Theoretisch ist dies zwar sehr einfach zu beantworten, praktisch ist es aber schwerer erkennbar. Dazu ist erst einmal nötig, dass man sich selbst gegenüber offen und aufrichtig ist. Wenn wir erkennen worunter wir wirklich zu leiden haben, so kann uns bewusst werden, dass wir in ähnlich bedrückender Art und Weise auf andere Menschen wirken. Wenn dies von uns vielleicht auch ungewollt geschieht, so straft uns in den Rückwirkungen eben nicht die freie Willensausübung der Mitmenschen, sondern unsere eigene Verfehlung. Nur so lernen wir das selbst verschuldete von dem unverschuldeten Leid zu unterscheiden. Jeder Mensch kann immer nur sich selbst voll und ganz verstehen. Damit hat er aber auch alle Möglichkeiten in der Hand, um sich selbst helfen zu können.
Das beschleunigte Karma. Vielen Menschen, denen die Zusammenhänge im Wirken der „ewigen Gesetze“ bewusst werden, schlagen einen völlig neuen Lebensweg ein, auf dem sie dann erst einmal mit allerhand für sie nicht erklärbaren, negativen Einflüssen und Störungen zu tun haben. Hier ist zu beobachten, wie sich bei diesen Menschen die Rückwirkungen bisheriger Verfehlungen beschleunigt ereignen, um so dem Betroffenen die Möglichkeit zu geben, sich in einer sehr kurzen Zeitspanne von allem bisherigen Übel vollständig zu lösen. Da die in diesem Geschehen Stehenden oft nicht so recht wissen, was ihnen geschieht und sie lieber wieder in dem bisherigen Trott weitermachen wollen, sehen sie oft von den guten Vorsätzen doch wieder ab, da ihnen ihre eigene Reinigung zu anstrengend ist. Sie übersehen dabei den großen Vorteil, den eine beschleunigte Rückwirkung und Ablösung in kürzester Zeit mit sich gebracht hätte und wählen lieber einen mühsamen und langjährigen Leidensweg.
Der Begriff Karma wird auch in positivem Sinne verwendet. Wir sprechen von einem „guten Karma“, wenn ein Mensch Erfolg, Reichtum, Gewinn oder ein Erbe entweder ohne große Anstrengungen oder mit Ehrlichkeit erworben hat. Neid ist in so einem Falle vollkommen unangebracht, da es sich bei einem solchen Ereignis, um die vielfache Rückwirkung vorangegangener, positiver Handlungen dieses Menschen handelt. Sollte ein Nebenmensch Neid empfinden, so können seine Neidgedanken dem anderen Menschen schaden. Diese werden für ihren Erzeuger aber zu einem zweischneidigen Schwert, da sie rückwirkend, sei es in Form einer Krankheit oder eines Verlustes, vor allem ihren Urheber treffen werden.
Das Wort „Karma“ kann auch eine Aufgabe bezeichnen, mit der ein Mensch auf Erden inkarniert, um der Menschheit neue Kenntnisse und Hilfen zu bringen. Diese Aufgabe wird ihm noch vor der Inkarnierung bestimmt. Es geht dabei häufig um bedeutende Wissenschaftler, vor allem im Bereich des Gesundheitswesens, aber auch um Künstler, Propheten u.Ä.
Es ist für den Menschen nicht wichtig zu wissen, ob ein Ereignis eine karmische Rückwirkung ist oder nicht. Wir sollen unsere kostbare Erdenzeit nicht vergeuden, um in den vergangenen Leben danach zu forschen. Würden wir uns an unsere Vorleben erinnern können, so wären viele nicht imstande, ihren Mitmenschen das Übel zu vergeben, das ihnen von diesen in der Vergangenheit zugefügt wurde. Damit würden sie sie ungewollt daran hindern, dieses wieder gutmachen zu können. Würde sich der Erdenmensch an seine früheren Erdenleben erinnern können, so wäre er in der Gegenwart oft nur unbeteiligter Beobachter bei der Ablösung der Schuld oder beim Empfang des Guten. Er würde die Ereignisse in ihren emotionalen Höhen und Tiefen nicht voll miterleben, so dass seine Seele sich nicht entwickeln würde. Sie würde nach dem Erdentode in demselben Reifezustand in die astrale Stufe eingehen, wie sie sie verlassen hatte. Sie soll sich aber mit jedem weiteren Erdenleben vervollkommnen, und zwar durch das Erleben.
Wäre es für den Menschen nützlich oder notwendig, so würde er sich an seine Vorleben erinnern dürfen. Nur starke emotionale Erlebnisse aus früheren Leben beeinflussen die gegenwärtigen Anschauungen. Wer zum Beispiel einen Krieg als Opfer erlebte, erinnert sich nicht mehr daran, wie und worunter er gelitten hat, unbewusst weiß er aber, dass Krieg grausam ist und er sich diesen nicht wünscht.
Wäre es dem Menschen möglich, wichtige zukünftige Ereignisse seines Lebens schon vorab sehen zu dürfen, so würde er sich nicht mehr bemühen, vorher Entscheidungen abzuwägen und verschiedene Ansätze zu durchdenken. Die Ausübung seines freien Willens zum Entschluss würde er damit vernachlässigen. Demjenigen, dem die Informationen über Vergangenes oder auch Zukünftiges von Nutzen sind, wird davon auch erfahren. Bei all denjenigen, denen solche Kenntnisse verborgen bleiben sollen, weil sie die Entwicklung der Seele und des Geistes nur hemmen würden, bleibt jede derartige Bemühung sinnlos.
Jeder Mensch ist eine einzigartige Persönlichkeit mit einem ebenso einzigartigen Karma, das kein anderer Mensch kennen kann oder soll.
In schwierigen Lebenslagen jammern und klagen die Menschen oft: „Wie konnte dies Gott nur zulassen!?“ Da wir bereits das Gesetz der Wechselwirkung kennen, wissen wir, dass uns die gerechten Rückwirkungen unserer Handlungen treffen, also unser „Karma“, und weit und breit keine Willkür dabei zu finden ist.
Ein Mensch, der durch seinen Einfluss Konflikte und Kriege hervorrief, Tausende in den irdischen Tod trieb und selbst verschont blieb, muss dafür in einigen Folgeleben, wenn dazu geeignete Bedingungen geschaffen werden, vervielfachte Rückwirkungen ertragen.
Nicht alle Kriegsopfer sind aber mit karmischer Schuld belastet. Manchmal werden von diesen Ereignissen auch sehr reine Menschen betroffen, die sich freiwillig entschieden haben, das Leid mit ihren geliebten Nächsten zu teilen. Aus diesem Grunde inkarnierten sie in deren Nähe.
Einen Krieg als aktiv daran Teilnehmender können auch Menschen erleben, die in Vorleben zwar den anderen nach außen hin kein Leid zufügten, in Gedanken aber gewaltsam und feindselig waren. Sie wollten es aber öffentlich nicht zeigen, um ihren guten Namen nicht aufs Spiel zu setzen. Durch volles Erleben dieser negativen Gefühle in einem Krieg, werden sie sich von diesen Gedankenformen befreien, da sie deren Wirkungen erkennen lernen. Daraus können wir folgern, dass Kriege eigentlich „geplant“ sind, da sie aus den Rückwirkungen vorauszusehen sind.
In Ländern, wo es Hungersnot gibt, leiden darunter die Menschen, die gegen ihre Mitmenschen schwer sündigten. Entweder gaben sie ihnen als Arbeitgeber nicht den verdienten Lohn für ihre Arbeit und ließen sie bewusst verarmen, vielleicht sogar hungern. Oder es können auch Angestellte sein, die ihre Vorgesetzten bestohlen haben, obwohl er zu ihnen gerecht war. Ferner trifft dieses Karma träge Menschen, die für ihre Arbeit Lohn nahmen, ohne dafür einen entsprechenden Gegenwert zu geben, wodurch sie das Gesetz des Ausgleichs bewusst verletzten. Unter solchen Rückwirkungen leiden auch seelisch unreife Menschen, die ihren freien Willen nicht verwendeten, um sich im Leben selbst zu erhalten, sondern lieber die Güte der anderen missbrauchten.
Massen- und Einzelunfälle sind Rückwirkungen von Nachlässigkeit, Verantwortungslosigkeit, aber auch von Hass und Habgier einzelner oder ganzer Gruppen. Die ehemaligen Piraten zum Beispiel, die ganze Schiffsbesatzungen ums Leben gebracht haben, können in einigen Leben in eine umgekehrte Lage geraten und selbst Opfer eines Massenverkehrsunglücks werden.
Die Ursachen der Naturkatastrophen sind zweierlei: Entweder sind sie die natürliche Folge der Zersetzung des Stofflichen oder eine „Strafe“, die Rückwirkung bezüglich eines moralischen oder wirtschaftlichen Verfalls der betroffenen Menschen. Als Beispiel können die Städte Pompeji oder Sodom und Gomorra dienen. Diejenigen, die sich retten sollten, wurden im Voraus gewarnt, um aus der betroffenen Stadt frühzeitig fliehen zu können. Auch die Naturkatastrophen schwingen voll und ganz in den „ewigen Gesetzen“, die keine „Zufälle“ kennen. Bei Erdbeben, Überschwemmungen oder Vulkanausbrüchen, werden ihre Termine „von oben“ geplant.
Ein klares Beispiel für eine karmische „Vergeltung“ ist die altertümliche Stadt Ninive, in der neben einer allgemeinen Verdorbenheit, ein enormer, sittlicher Verfall herrschte. Nach der Warnung durch den Propheten Jonas taten die Assyrer Buße, indem jeder sich bemühte, sein Leben zu ändern, vor allem durch Taten. Nach dem Gesetz der Wechselwirkung rettete ihre rasche und aufrichtige „Umwandlung im Geiste“ die Stadt vor der Vernichtung.
Später sind ihre Nachfahren wieder in die alten Fehler zurück gefallen und so wurde die riesige, scheinbar uneinnehmbare und unzerstörbare Stadt durch einen Eingriff „von oben“ dem Erdboden gleichgemacht.